Ist mein Kind hochsensitiv?

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Weint dein Kind oft scheinbar grundlos oder zieht sich zurück? Reagiert es stark bei Stress und hält es laute Geräusche kaum aus? Eltern stehen einer solchen Situation oft verzweifelt gegenüber. Sie fragen sich, inwieweit dieses Verhalten normal ist und wie sie innerhalb der Erziehung reagieren sollen. Diese "Empfindlichkeit" muss nicht immer eine psychische Krankheit bedeuten. Vielleicht handelt es sich um Hochsensitivität.

Was bedeuten "Hochsensitivität" und "Hochsensibilität"?

Hochsensitivität bzw. erhöhte Neurosensitivität ist die erhöhte Fähigkeit, Reize zu registrieren und zu verarbeiten (PLUESS, 2015; zitiert in GREVEN ET AL., 2019: 288). Mindestens jeder fünfte Schweizer verfügt über eine erhöhte Neurosensitivität.

Häufig ist das Gehirn von Hochsensitiven nicht in der Lage, Reizüberflutung zu verarbeiten. Der Grund für diese Überstimulationen liegt im Nervensystem, das bei diesen Menschen empfindsamer ist. Die Sinne sind feiner ausgeprägt und Betroffene hören, sehen, schmecken, fühlen und riechen differenzierter. Das können viele Stimmen sein, ein Parfüm, ein kratziges Shirt oder auch die Zugluft im Bus.

Stell dir vor, du beziehst ein Haus, das direkt an einem Bahngleis liegt. Anfangs hörst du jeden Zug, der vorbei fährt. Doch mit der Zeit gewöhnst du dich an das Geräusch der vorbeifahrenden Bahn und nimmst sie kaum noch war, selbst wenn du dich anfangs daran gestört hast. Dies liegt daran, dass das Geräusch aus deiner Wahrnehmung herausgefiltert wird. Bei Menschen, die hochsensibel sind, ist dieser Filter schwächer. ihre Wahrnehmung ist stärker ausgeprägt und sie nehmen aus der Umwelt viel mehr Einzelheiten wahr.

In der Forschung wird kaum ein Unterschied zwischen den Phänomenen hochsensibel und hochsensitiv gemacht. Dabei soll es sich bei Hochsensitivität um eine menschliche Eigenschaft handeln, die nicht immer etwas mit Hochsensibilität zu tun haben muss.

  • Wer hochsensibel ist, verfügt über feiner ausgeprägte Sinne als andere. Sie hören, sehen, schmecken, fühlen und riechen also differenzierter. Dies führt oft zu Reizüberflutung.
  • Hochsensitive haben nicht unbedingt diese schärferen Sinne, aber sie haben die Fähigkeit, Dinge über die fünf Sinne hinaus wahrzunehmen, die andere Menschen nicht bemerken. Sie sind sehr hellfühlig/hellsichtig und emphatisch, manchmal regelrecht medial. 

Ein spannender Selbsttest von Dr. Patrice Wyrsch liefert Anhaltspunkte, wie stark der Wesenszug bei einem selbst ausgeprägt ist. In seinem Buch «Neurosensitivität», erklärt der Berner das Phänomen der Neurosensitivität und liefert Inspiration, um besser mit der erhöhten Wahrnehmung umzugehen.


Ist dein Kind hochsensibel oder hochsensitiv?

Einen ersten Hinweis, ob dein Kind hochsensibel oder hochsensitiv ist, können speziell entwickelte Tests aus dem Internet geben. Allerdings gibt es auch Verhaltensweisen, die Kinder mit einer erweiterten Wahrnehmung zeigen. Hochsensibilität bzw. Sensitivität äussert sich durch die Fähigkeit der Kinder, selbst kleinste Veränderungen in ihrer Umgebung wahrnehmen zu können. Sie zeigen viel Mitgefühl und Empathie und ihrer Fantasie sind häufig keine Grenzen gesetzt. 

Neben diesen positiven Eigenschaften kann die weniger gefilterte Wahrnehmung jedoch auch negative Seiten haben, die für Eltern oft Grund zur Sorge sind. Wenn sich diese Kinder nicht verstanden fühlen, gehören heftige Gefühlsausbrüche, die in Aggressivität oder Traurigkeit münden, dazu. Darüber hinaus nimmt ein Kind, das die Gabe der Hochsensitivität oder Hochsensibilität besitzt, oft Abstand zum Spielen mit anderen Kindern, ist schüchtern und zurückhaltend, und es kann sich stundenlang allein beschäftigen. Diese Kinder haben oft Probleme mit unserer schnelllebigen Zeit und dem zugehörigen Leistungsdruck.

So kannst du deinem Kind helfen

Eltern, deren Kinder hochsensibel oder hochsensitiv sind, sollten dies in ihrer Erziehung unbedingt ernst nehmen und sie nicht für ihr Anderssein bestrafen oder die Wahrnehmungsfähigkeit der Kinder strapazieren. Die Bedürfnisse des Kindes sollten in jedem Fall im Vordergrund stehen. Es braucht die Möglichkeit, sein Innenleben auszudrücken und oft benötigen diese Kinder einfach mehr Zeit, sich an neue Situationen zu gewöhnen.

Hochsensitive Kinder brauchen in der Erziehung klare, starke Grenzen und besonders viel Liebe, Achtsamkeit und Verständnis.

Bei Zeichen von Unruhe und Ruhelosigkeit, Aggressionen und Hyperaktivität helfen viel Bewegung oder auch die Möglichkeit, sich im Zimmer zurückzuziehen, um Eindrücke in Ruhe verarbeiten zu können. Hier findest du auch Spiele gegen die Wut.

Stress und Leistungsdruck, welchen Kinder immer früher ausgesetzt sind, kann negative Folgen auf Hochsensible haben. Daher sollte auch hinsichtlich der Erziehung in der Schule darauf geachtet werden, dass auf die besonderen Fähigkeiten der betroffenen Kinder eingegangen und deren Bedürfnisse berücksichtigt werden.

Hochsensibilität und Hochsensitivität sind keine psychischen Krankheiten, die therapiert werden können bzw. müssen. Eltern, die den Verdacht haben, dass ihr Kind eine dieser Eigenschaften besitzt, sollten dies von Experten bestätigen lassen, um das Kind besser zu verstehen und so auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen zu können.

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