Wie viel Wahrheit verträgt dein Kind?

Wieviel Wahrheit vertragen Kinder © Angelina - AdobeStock.com

Kindererziehung ist häufig ein Balanceakt. Schliesslich wollen wir unseren Kleinen Werte vermitteln, die sie durchs Leben leiten. Ein wichtiger Wert ist Wahrheit. Doch was ist, wenn Wahrheit wehtut? Zum Beispiel wenn Oma so schwer krank ist, dass sie sterben wird oder wenn Mama und Papa sich trennen? Sind kleine Notlügen in Ordnung und schützen sie dein Kind wirklich?

Wahrheit im Alltag

Im Spiel tauchen Kinder tief ein in eine Phantasiewelt voller Märchen, Geschichten und Zauberei. In der Realität gibt es weder das eine noch das andere. Viele Eltern bedienen sich jedoch der Märchen, zum Beispiel an Weihnachten: "Wenn du nicht lieb bist, bringt der Weihnachtsmann dir keine Geschenke!" oder wenn ein Geschwisterchen geboren wird: "Das hat der Klapperstorch gebracht!".

Ist das wirklich richtig? Immerhin wollen wir unsere Kinder zu aufrichtigen, ehrlichen Menschen erziehen.

Selbst kleine Kinder können bereits zwischen Phantasie und Realität unterscheiden. Vielmehr verarbeiten sie im Spiel auf kreative Weise ihren Tag und das Erlebte. Dann können Situationen auch mal mit Magie gelöst werden, was Kinder sehr erleichtern kann.

Wenn Eltern jedoch unehrlich sind, merken Kinder das oft instinktiv. Kleine Notlügen machen den Alltag oft schwerer. Mutter und Vater werden es kennen: Der Besuch beim Kinderarzt steht an und obwohl sie beteuert haben, dass es nicht schlimm wird ist das Theater vorprogrammiert. Doch solltest du ehrlich sein und zugeben, dass die Impfung ein bisschen wehtun wird? Ist das "Theater" dann nicht noch grösser? Und wie erklärt man einem Kindergartenkind, wo der kleine Bruder tatsächlich herkommt?


Wahrheit in Krisensituationen

Noch deutlicher, welch sensible Antennen unsere Kleinen haben wird es, wenn "richtige Probleme" anstehen. Erwachsenenkram, vor dem wir unsere Kinder auf jeden Fall schützen wollen. Die Beerdigung der Oma oder der Streit zwischen Mama und Papa. Spätestens am Frühstückstisch merkt dein Kind, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht hat es die Nacht auch schlecht geschlafen, obwohl es von dem Streit oder dem Anruf mit der schlechten Nachricht nichts mitbekommen hat. Doch wie viel Wahrheit gehört zur Kindererziehung?

Ein Recht auf Wahrheit

Versuche, dich zu erinnern, als du das letzte Mal einer kleinen oder grossen Lüge auf die Schliche gekommen bist. Wie hast du dich gefühlt? Enttäuscht, traurig, wütend? Genauso geht es deinem Kind, wenn es merkt, dass du nicht die Wahrheit sagst. Vielleicht kann es das noch nicht so benennen und ist besonders trotzig, traurig oder fordernd.

Egal wie schwer die Situation ist, versuche, deinem Kind möglichst kindgerecht die Wahrheit zu sagen. Auch dann, wenn es dir wehtut. Oma ist gestorben? Dann sprich mit deinem Kind über eure Vorstellung vom Leben nach dem Tod. Für Kinder ist es eine wichtige (Lern)Erfahrung festzustellen, dass es völlig normal ist, traurig oder wütend zu sein, dass diese Zeit aber auch vorbei geht.

Auch beim schwierigen Thema Trennung sollten Eltern mit offenen Karten spielen - natürlich kindgerecht. Ein ehrlicher Umgang vermittelt dann folgende Botschaft: "Wir verstehen uns nicht mehr gut, gehen aber trotzdem gut miteinander um. Mama und Papa haben dich sehr lieb und werden sich weiterhin um dich kümmern. Es ist okay, wenn dich das traurig macht, das geht uns nicht anders."

Je mehr über schwierige Situationen gesprochen wird, umso besser können die Kleinen diese verarbeiten. Lasse ihnen Zeit, alle Fragen zu stellen, die aufkommen und finde klare, einfache Worte. Auch dann, wenn dein Kind noch keine Vorstellung hat, was z.B. der Tod bedeutet, mit Hilfe von Wahrheit, kann es die Bedeutung und den Umgang mit den meist negativen Emotionen lernen.

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