Vorgeburtliche Untersuchungen - wie zuverlässig sind die diversen Tests?

Mit vorgeburtlichen Untersuchungen lassen sich Auffälligkeiten erkennen. Sie können helfen, aber auch verunsichern. © Roman - AdobeStock.com

Keine Untersuchung kann dir die Garantie geben, dass du ein gesundes bzw. nicht behindertes Kind bekommen wirst. Pränatale Untersuchungen sind freiwillig, du bist nicht verpflichtet, diese vornehmen zu lassen. Du hast also ein Recht auf Nichtwissen. Die allermeisten Kinder kommen gesund zur Welt.

Ultraschall-Untersuchung in der Schwangerschaft

Bei den üblichen Screening Untersuchungen in der Schwangerschaft geht es in den allermeisten Fällen darum, den normalen gesunden Verlauf einer Schwangerschaft zu bestätigen. Die Ultraschalluntersuchung wird über die Scheide oder die Bauchdecke durchgeführt.

Zwei Ultraschalluntersuchungen werden von der Krankenkasse bezahlt. Sie finden zwischen der 11. und 14. und der 20. und 23. Schwangerschaftswoche statt und dienen zur Bestimmung des voraussichtlichen Geburtstermins, Kontrolle des Wachstums, Ausschluss von Eileiterschwangerschaften, Erkennen von Mehrlingsschwangerschaften, Kontrolle der Organfunktionen (nach der 19. SSW.), Lage der Plazenta und zum Prüfen von Auffälligkeiten beim Ungeborenen.

Durch die Dopplersonografie wird der Blutfluss im Herz sichtbar gemacht. Der 3D-Ultraschall gibt eine räumliche Darstellung. Diese beiden Geräte werden nur bei begründetem Verdacht auf eine Erkrankung des Kindes eingesetzt.

Risikoeinschätzung Nackenfaltenmessung / Nackentransparenz mittels Ultraschalles

Zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche wird die sogenannte Nackenfalte beim Fötus gemessen. Mit der Nackenfaltenmessung wird nach möglichen chromosomalen Varianten (z.B. Trisomie 21 / Down-Syndrom) oder nach Herzfehlern gesucht. Wird dabei ein bestimmter Grenzwert überschritten, erfolgt in der Regel eine Überweisung an eine Spezialistin oder einen Spezialisten. Die zu messende Nackenverdickung liegt im Zehntelmillimeterbereich. Eine einmalige Nackenfaltenmessung gilt als eine relativ unzuverlässige Untersuchungsmethode und ergibt keine eindeutige Diagnose.

95% – 97% Prozent der Kinder, denen nach einer Untersuchung eine auffällige Nackentransparenz bescheinigt wurde, weisen einen normalen Chromosomensatz auf. Quelle: Fachzeitschrift "Der Gynäkologe"

Ein Ultraschallfoto zu lesen, ist nur mit viel Erfahrung und Fachkenntnissen möglich. Durch das Bild können Fachpersonen Missbildungen wie fehlende Gliedmassen oder Spina bifida (offener Rücken) erkennen und finden mögliche Hinweise auf Chromosomenabweichungen.

Ersttrimester-Test / Ersttrimester-Screening

Zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche wird bei der werdenden Mutter eine Blutentnahme gemacht zur Bestimmung von Hormon- und Eiweisswerten.

Zum gleichen Zeitpunkt wird eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Aus der Messung der Nackentransparenz, der mütterlichen Blutwerte sowie dem Alter der Frau und der Schwangerschaftswoche kann mit Hilfe eines Computerprogramms ein statistischer Risikowert für ein Kind mit einer Trisomie 21 / Down-Syndrom, einer anderen Chromosomenabweichung oder mit einem Neuralrohrdefekt (z.B. offener Rücken) errechnet werden. Der Ersttrimester-Test ermittelt nur einen rein statistischen Risikowert, es handelt sich dabei also nicht um eine Diagnose.

Interpretationen können je nach verwendetem Computerprogramm, Gerät, Art und Dauer der Durchführung und Erfahrung der Fachpersonen unterschiedlich ausfallen. Ungenaue, falsche Anwendung und Auswertung führen zu falschen "auffälligen" Werten. Risikoeinschätzungen können bei den werdenden Eltern unnötige Ängste auslösen.

Beispiel einer Risikoberechnung Trisomie 21
Die Risikowahrscheinlichkeit von 1:300 bedeutet: es besteht ein Risiko von 0,3%, dass das Kind Trisomie 21 hat. Aber auch: es besteht eine Wahrscheinlichkeit von 99,7%, dass das Kind keine Trisomie 21 hat.

NIPT - Bluttest auf Trisomie 21 / 13 / 18

Bedingung für die Vergütung durch die Krankenkassen ist, dass die Schwangere zuvor einen sogenannten Ersttrimester-Test durchführen liess und dieser ein Risiko von mehr als 1:1000 ergeben hat. Ein auffälliges Resultat muss immer mit einer Chorionzottenbiopsie oder Fruchtwasseruntersuchung überprüft werden. Denn nur diese zwei invasiven Methoden liefern aussagekräftige Diagnosen.

Der Preis des genetischen Bluttests beträgt zurzeit etwa bei CHF 900.


Wie zuverlässig sind die genetischen Bluttests / NIPTs?

Die Informationen zu den sogenannten genetischen Bluttests (NIPTs) sind mit grösster Vorsicht zu geniessen. Dank dem deutschen Berufsverband der niedergelassenen Pränatal Mediziner wurde bekannt, dass sich positive Befunde durch eine invasive Diagnostik nur selten bestätigen.

«Nach dem Test muss jede Frau mit einem positiven Testbefund verstehen, dass das Ergebnis falsch sein kann und ihr Kind unter Umständen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit keine Trisomie aufweisen wird», sagt Klaus Koch vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblatts.

Das Risiko, von einem Fehlalarm aufgeschreckt zu werden, besteht vor allem für Schwangere, die jünger als 40 Jahre sind (siehe Tabelle).

Bei übergewichtigen Frauen ist die Aussagekraft des neuen Bluttests deutlich geringer oder sogar aufgehoben.

Bei 3 – 4% der Proben kann aufgrund mangelnder Anzahl von fetalen DNA-Bruchstücken oder mangelnder Qualität der untersuchten Chromosomenfragmente kein Ergebnis erzielt werden.

Bestätigung der Diagnose Trisomie 21 / 18 / 13 nach auffälligem NIPT durch eine invasive Diagnostik:

 

Alter der Frau

   
 

20 Jahre

30 Jahre

40 Jahre

Trisomie 21

35%

48%

90%

Trisomie 18

12%

22%

72%

Trisomie 13

8%

14%

63%

Quelle: Ärzteblatt 2020

Fehlverteilungen von Geschlechtschromosomen

Als Variante des NIPT kann auch eine Fehlverteilung der Geschlechtschromosomen getestet werden. Fehlverteilungen der Geschlechtschromosomen (wie z.B.Triple X) führen oft nur zu milden Auffälligkeiten und in der Mehrzahl der Fälle bleibt dies ein Leben lang unerkannt! Lasse dich umfassend beraten, bevor du dich für diese zusätzliche Testung entscheidest.

Invasive Methoden

Chorionbiopsie / Chorionzottenbiopsie

Das hierzu benötigte Zellmaterial wird in der 11. - 13. Schwangerschaftswoche von der Plazenta entnommen, entweder durch die Bauchwand oder durch die Scheide. Der vaginale Eingriff ist das risikoreichste Verfahren. Nachdem die Ärzteschaft lange Zeit diese Methode angewandt hat, rät sie heute deutlich davon ab.

Fruchtwasseruntersuchung / Fruchtwasserpunktion /Amniozentese

Diese invasive Methode dient der Analyse des Fruchtwassers. Es wird nach Chromosomenabweichungen und dem sog. offenen Rücken gesucht. Mittels der Analyse der Chromosomen lässt sich darüber hinaus auch eine Geschlechtsbestimmung vornehmen. Unter Ultraschallsicht wird der schwangeren Frau eine Nadel durch die Bauchdecke in die Gebärmutter eingeführt, Fruchtwasser entnommen, kultiviert und analysiert, um Abweichungen zu entdecken. Dies geschieht zwischen der 15. und 20. Schwangerschaftswoche, die bevorzugte Zeit ist die 16. und 17. Schwangerschaftswoche. Der Befund ist je nach Labor nach etwa 2 Wochen ausgewertet, oft erst gegen Ende des 5. Schwangerschaftsmonats. Bei einer Fruchtwasserpunktion liegt das Fehlgeburtsrisiko bei etwa 1%. Die Erfahrung der Ärztin / des Arztes spielt dabei eine wichtige Rolle.

Umgang mit den Resultaten:

Es ist ratsam, sich vorher gut zu informieren, ob und welche Untersuchungen in Anspruch genommen werden möchten.

Wenn für dich der Abbruch deiner Schwangerschaft nicht in Frage kommt, machen all diese Tests keinen Sinn - ausser du willst dich auf ein Kind mit Behinderung vorbereiten. Ein Schwangerschaftsabbruch nach auffälliger Diagnostik ist immer ein Spätabbruch. Das bedeutet, dass eine Geburt eingeleitet wird. Sie wird durch wehenauslösende Medikamente in Gang gesetzt und kann Stunden manchmal Tage dauern. Es kommt vor, dass das Kind lebend zur Welt kommt.

«Das Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) regelt die pränatale Diagnostik. Es verbietet, pränatale Untersuchungen durchzuführen, um Eigenschaften des Embryos oder des Fötus zu ermitteln, die nicht dessen Gesundheit direkt beeinträchtigen. Die Ärzteschaft ist verpflichtet, die schwangere Frau über ihr Selbstbestimmungsrecht zu informieren und sie auf unabhängige Informations- und Beratungsstellen für pränatale Untersuchungen aufmerksam zu machen. Zwischen der Beratung und der Durchführung einer pränatalen genetischen Untersuchung muss eine angemessene Bedenkzeit liegen.»

Untersuchungen durch Fachpersonen:

Seit dem 1. Januar 2017 können schwangere Frauen entscheiden, ob sie alle Vorsorgeuntersuchungen von einer Hebamme anstelle einer Ärztin oder eines Arztes durchführen lassen wollen. Insgesamt vergütet die obligatorische Krankenkasse neu während einer normalen Schwangerschaft sieben Kontrolluntersuchungen. Dazu kommen zwei durch einen Arzt durchgeführte Ultraschalluntersuchungen.Die schwangere Frau entscheidet selbst über parallel geführte Arztkonsultationen. Die Hebammen arbeiten mit ÄrztInnen zusammen, welche die Frauen nach Möglichkeit vor der Geburt kennenlernen können.

Wo findest du Unterstützung?

appella, unabhängige Telefon- und Online-Beratung (Anerkannt von der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich)

Bei Unsicherheiten und Fragen rund um die pränatale Diagnostik stehen dir die Beraterinnen von appella gerne zur Verfügung. Die Beratungen sind kostenlos.

Telefonberatung: 044 273 06 60 / Online-Beratung: info@appella.ch

appella ist auch die Herausgeberin der Broschüre: Schwangerschaftsvorsorge - wie gehen wir damit um? Eine Informationsschrift zur Pränataldiagnostik 10. überarbeitete Auflage / Herbst 2021. Sie kann über die Homepage kostenlos bestellt werden: appella.ch

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