Chance oder Last? Wenn Kinder mehrsprachig aufwachsen

Chance oder Last? Wenn Kinder mehrsprachig aufwachsen © Halfpoint / AdobeStock.com

Immer mehr Kinder wachsen zwei- oder gar mehrsprachig auf. Dies kann in der heutigen, globalisierten Welt ein grosser Vorteil sein. Manchmal hört man aber auch, dass es für ein Kind schwierig bis unmöglich ist, zwei Sprachen gleich gut beherrschen zu können. Was solltest du beachten, damit dein Kind die Mehrsprachigkeit als Vorteil für sich nutzen kann?

Sprache früher und heute

Früher galt in Europa die Meinung, dass die Beherrschung und Verwendung von einer Sprache die Basis für den Zusammenhalt eines Staates sind. Dass die gemeinsame Sprache eine Kulturnation begründet wie auch eine gemeinsame Tradition. Dieser Zusammenhang von Sprache, Nation und Identität führte dazu, dass mehrsprachige Menschen als suspekt galten. Zu welcher Gemeinschaft gehören sie? Wo sind sie zu zuordnen? Pädagogen warnten vor den negativen Folgen des Aufwachsens mit mehreren Sprachen, von Intelligenzdefiziten, psychischen Störungen oder sogar einem Verfall von Moral und Anstand.1
 
Heute wird Mehrsprachigkeit als positiv bewertet, befürwortet und gefördert. Menschen verwenden überall auf der Welt mühelos mehrere Sprachen im Alltag. In einer globalisierten Welt gehört Mehrsprachigkeit zu einer beruflichen Schlüsselkompetenz. Doch wie eignet man sich Mehrsprachigkeit an?

Zweite Muttersprache?

Das Erlernen von Mehrsprachigkeit bietet sich an, wenn die Eltern oder andere enge Bezugspersonen, wie beispielsweise Grosseltern, unterschiedliche Sprachen sprechen. Um eine Sprache als zweite Muttersprache zu erlernen, sollte diese einige Stunden pro Tag im Alltag gelebt, bzw. gehört und gesprochen werden. Am einfachsten mit einer Bezugsperson, die konsequent immer die gleiche Sprache spricht. Gerade Kinder im Vorschulalter erlernen Sprachen intuitiv und akzentfrei und beinahe mühelos.

Kulturelle Wurzeln pflegen

Mit dem Erlernen der Sprache erlernen die Kinder zudem das Verständnis für kulturelle Unterschiede und Begebenheiten. Sprachliche Vielfalt öffnet den Blick für andere Perspektiven und ist ein treibender Motor für eine vielfältige multikulturelle Gesellschaft. Mehrsprachige Menschen werden jedoch immer noch nicht grundsätzlich beneidet. Es bestehen unterschiedliche Bewertungen je nach dem um welche Sprache es sich handelt. Die einen sind prestigeträchtig, die anderen die Sprachen von Minderheiten. Spricht jemand verschiedene Sprachen, nicht jedoch die Landessprache, wird dies als Risikofaktor wahrgenommen. Eine Gesellschaft mit sprachlicher Vielfalt bedeutet auch, dass ich es aushalten muss, wenn ich Menschen im Bus oder auf der Strasse nicht verstehe und es trotzdem wichtig finde, dass sie in ihrer Muttersprache sprechen.

Gemeinsame Sprache fördert Zugehörigkeit

Innerhalb einer binationalen Familie kann Mehrsprachigkeit der Schlüssel sein, um mit Grosseltern oder Verwandten im Heimatland eine Beziehung zu leben und einen umfassenderen Bezug zur eigenen Herkunft und Identität zu erhalten. Aus unserer Beratungserfahrung erscheint uns bei mehrsprachigen Familien ein Aspekt besonders wichtig: Wenn Vater und Mutter mit den Kindern in einer jeweils anderen Sprache sprechen, sollte der andere Elternteil die Sprache mindestens verstehen können. Wenn ein Elternteil mit den Kindern in einer Sprache spricht, die der andere Elternteil nicht versteht, kann ansonsten rasch das ungute Gefühl entstehen, ausgeschlossen zu sein und nicht dazu zu gehören.
 
Fachautor: Frabina / Beratungsstelle für Binationale Paare und Familien / frabina.ch
 

1 Prof Dr. Silke Jansen, Lehrstuhl für Romanistik der Friedrich Alexander Universität über Mehrsprachigkeit in unserer Gesellschaft 13.10.2017

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