Autonome Kinder - wenn die Trotzphase nie endet

Erziehung: Autonome Kinder © velazquez - AdobeStock.com

Manchmal ist es zum Verzweifeln: Du hast eine Vielzahl an Ratgebern gelesen und gehst die Herausforderungen mit deinem Kind nach den neusten Massstäben der Pädagogik an. Trotzdem fordert es ein, seinen Willen durchzusetzen. Das macht dich manchmal stolz und bringt dich noch öfter an den Rand der Verzweiflung. Solch willensstarke Kinder sind meist hochsensibel und autonom. Doch was heisst das für die Kindererziehung?

Was sind "autonome Kinder"?

Den Begriff „autonome Kinder“ hat Jesper Juul geprägt. Der Unterschied zu anderen Kindern liegt darin, dass willensstarke oder auch autonome Kinder dieses Verhalten nicht erst in der bekannten "Trotzphase" zeigen, sondern meist bereits von Geburt an. Frisch gebackene Eltern beschreiben ihr Baby dann so, dass sie sich einen Säugling ganz anders vorgestellt haben und sprechen vielleicht von einem „schwierigen“ Baby oder Kind. Doch was bedeutet das genau?

Autonome Kinder haben oft folgende Merkmale:

  • Sie kennen ihre persönlichen Grenzen und fordern diese ein
  • Sie kennen ihre Bedürfnisse und achten darauf, dass diese erfüllt werden
  • Pädagogisch-erzieherische Manipulation (Belohnung oder Bestrafung) funktioniert bei ihnen nicht. Aussagen wie „Wenn du davon nichts isst, bekommst du kein Dessert!“ zeigen oft keine Wirkung.
  • Körperkontakt geht vom Kind aus und wird je nach Bedürfnislage eingefordert oder abgelehnt
  • Um Verhalten und Entscheidungen von Erwachsenen anzunehmen, müssen diese authentisch für das Kind sein
  • Eine Zustimmung geben sie nur, wenn sie das Gefühl haben, eine Wahl zu haben
  • Ihr Verhalten ähnelt das von Erwachsenen mit einem gesunden Selbstbild
  • Die Achtung ihrer Würde und ihrer Integrität ist ihnen besonders wichtig

Der aufmerksame Leser wird nun denken: "Das ist doch toll, wenn ich so ein kompetentes Kind habe!". Tatsächlich wissen betroffene Eltern aber, dass der Alltag mit willensstarken Kindern oft sehr herausfordernd und langatmig sein kann.


Was sind die Schwierigkeiten/Herausforderungen mit solchen Kindern?

Bereits willensstarke Babys können ihre Eltern an den Rande des Nervenzusammenbruchs bringen, indem sie ihrer Entwicklung immer einen Schritt voraus sind oder Dinge schon selbst tun und entscheiden wollen, die sie noch nicht können. Später ist es schwierig, nahezu unmöglich, autonome Kinder zu etwas zu animieren, das nicht auch ihren Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Kindererziehung mit starren Regeln scheitert an solchen Kindern. Inputs und Reize müssen immer wieder Neues und eine Wahlmöglichkeit bieten, wie ein "Buffet", von dem sich der Nachwuchs autonom bedienen kann.

In der Schule oder im Kindergarten sind autonome Kinder oft "Überflieger", haben aber dennoch oft Konflikte mit Lehrern und Erziehern, da sie zu jeder Zeit pädagogische Ansätze enttarnen und in Frage stellen.

Tipps für Eltern mit einem willensstarken Kind

Wie geht man mit autonomen Kindern um? Was ist wichtig in der Kindererziehung?

Eltern von autonomen Kindern sollten sich darin üben, in Ich-Botschaften zu sprechen:

"Ich will, dass du dir jetzt die Zähne putzt. Danach sage mir, welche Geschichte du hören möchtest!"

Autonome Kinder können gut mit Wahlmöglichkeiten umgehen und eine Entscheidung sprechen. Ihr Bedürfnis nach Eigenständigkeit wird so optimal gefordert:

"Möchtest du erst Hausaufgaben machen oder mit deiner Freundin spielen?"

Dies kann sehr befremdlich sein, gerade, wenn Mama und Papa andere Prioritäten haben.

Willensstarke Kinder sind sehr sensibel für Stimmungslagen. Daher sind Bezugspersonen gut beraten, stets die Wahrheit zu sagen und alle aufkommenden Fragen authentisch zu beantworten. Dies gilt vor allem für Konfliktsituationen, vor denen du deine Kinder normalerweise schützen möchtest. Hab also keine Scheu, eine unangenehme Wahrheit kindgerecht auszusprechen und stelle dich mutig den Fragen deines Kindes. Denn das Kind merkt, wenn du etwas verheimlichen möchtest oder nicht die Wahrheit sagst.

"Was wünscht du dir?" oder "Was brauchst du, um deine Hausaufgaben heute noch fertig zu machen?" sind gute Fragen, die die Bedürfnisse des autonomen Nachwuchses abfragen. Lade dein Kind ein, seine Bedürfnisse auszusprechen. Lasse ihm Zeit, über deine Worte nachzudenken.

Es lohnt sich, mit einem autonomen Kind respektvoll zu sprechen (keine „Babysprache“) und immer kurz zu begründen, weshalb etwas getan werden muss. So fühlt sich das willensstarke Kind angenommen und respektiert.

Es ist wichtig, dass du immer vorher klar ankündest, was du erwartest oder was du tun möchtest z.B. „Du darfst jetzt noch wünschen, was wir EINMAL zusammen spielen sollen, danach geht’s ins Bett“. Oder „Wir gehen jetzt zusammen in den Buchladen, aber heute können wir kein neues Buch kaufen für dich. Du kannst mir aber helfen, ein Buch für Leo zum Geburtstag auszuwählen.“

Eine unserer LeserInnen hat ihr Kind hier wiedererkannt und hat daraufhin selbst recherchiert und einen interessanten Blog über ihre eigenen Erfahrungen mit ihrer autonomen Tochter geschrieben.

Wenn du dein Kind jetzt auch hier wieder erkennst, dann fallen dir sicher noch einige weitere Merkmale auf, die die ausgeprägte Autonomie deines Kindes kennzeichnen. Welche Erfahrungen hast du gemacht?

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