Kinder besser verstehen

In ihrer Entwicklung loten Kinder ihre sozialen Spielräume aus. Wann Eltern Grenzen ziehen oder Freiräume gewähren sollten, darüber ist doppelt nachzudenken. Zu wissen, warum Kinder Eltern herausfordern, hilft, mit den Trotzsituationen einfacher umzugehen.

Die Vielschichtigkeit der kindlichen Entwicklung

Scheinbar grundlos treten manchmal kurze Fieberschübe auf, weil das kindliche Immunsystem für den Ernstfall probt. Kinder stolpern, stossen Vasen um und benehmen sich einfach tollpatschig. Meist ist der Grund das Gehirn, das nach einem Wachstumsschub Zeit braucht, die neuen Körpermasse zu koordinieren. Und das oft unlogische Verhalten ist ein Resultat der sozialen Entwicklung, während der die Grenzen ausgelotet werden.

Kinder im Flegelalter sind der Prüfstein für Eltern

Rund um den vierten Geburtstag beginnen die Flegeljahre bei Kindern. Freche Antworten, Ungehorsam, aber auch Beissen, Treten oder Boxen gehören dazu. Es ist ein provokantes Kräftemessen, mit dem Kinder ihre soziale Stellung in der Familie, bei Freunden und im Umfeld finden wollen. Das oftmals ungestüme Verhalten ist ein Resultat der geistigen Entwicklung, denn in diesem Alter werden im Gehirn deines Kindes die sozialen Charaktereigenschaften festgelegt.

Während dieser Zeit helfen dir Gelassenheit, klare Grenzen zu setzen und ein besonders intensiver Umgang mit deinem Kind. Beschäftigst du dich mit deinem Kind, hat dieses nur wenig Zeit, sein flegelhaftes Verhalten an den Tag zu legen. Alles was mit körperlicher Betätigung zu tun hat, hilft dir und deinem Kind. Drachen steigen lassen, Radtouren, Schwimmen gehen, aber auch einfach nur Herumtoben sind probate Mittel, dir und deinem Sprössling diese schwierige Entwicklungsperiode zu vereinfachen. Überdies sind die lieben Kleinen nach einem aktiven Tag abends so müde, dass es keine stundenlangen Diskussionen um das Zubettgehen gibt.

Das Kind - der Schauspieler in der Familie

Erkrankt dein Kind, erlebt es nicht nur das Gefühl der Hilflosigkeit. Es erfährt zugleich, dass dann Mama und Papa ganz besonders nah sind und sich aufopferungsvoll um es kümmern. Wenn das Kind scheinbar unmotiviert krank wird, obwohl ihm rein physiologisch nichts fehlt, kann dies auch ein unwillkürliches, ein unterbewusstes Verlangen nach Fürsorge und Nähe sein.

In der Regel ist es recht einfach, herauszufinden ob die Krankheit eine schauspielerische Glanzleistung ist oder einen ernsten Hintergrund hat. Klagt dein Kind über Kopf- oder Bauchschmerzen, kannst im Gespräch mit ihm erwähnen, dass du eigentlich später mit ihm Eis essen wolltest. Ist es eine Vorstellung gewesen, setzt auf wundersame Weise eine meist sekundenschnelle Heilung ein. Allerdings solltest du diesen Trick nicht immer anwenden, denn die Kleinen sind clever;).

Lügengeschichten oder eine blühende Fantasie - Erziehung zur Wahrheit

Das Einschätzen von Realitäten ist nicht wirklich eine Stärke des kindlichen Verstandes. Das Gehirn muss dazu erst alle Verknüpfungen zwischen den Sektionen Fühlen, Erleben und Erfahrungen, Körper sowie Wissen herstellen. Im Resultat erzählen die Kleinen bizarr anmutende Geschichten, die ganz offensichtlich fern der Realität sind. Dabei werden auch gerne andere beschuldigt, etwas Böses getan zu haben.

Eltern verlieren in der Folge schnell das Vertrauen in den Wahrheitsgehalt dieser Geschichten. Diese Erzählungen entstehen, weil Kinder verschiedenste Erlebnisse in einen Topf werfen. Der wird kräftig umgerührt. Dann entnimmt der Sprössling wahllos Fakten, um diese in kunterbunter Folge zu erzählen. Deshalb solltest du genau zuhören, was dir dein Kind zu sagen hat. Und du selbst brauchst ein wenig Fantasie, um die Bausteine der Story zu ordnen, damit sich die richtige Reihenfolge ergibt.

Die Erziehung von Kindern erfordert Geduld, Humor und eine Portion Dickfelligkeit

Gelassenheit, Ruhe und Liebe sind der Weg, der deine Bindung zum Kind festigt und dir zugleich Spielraum für eigene Interessen gibt. Habe den Mut und gewähre deinem Kind genügend Freiraum. Fast immer sind Eltern erstaunt, wie vernünftig und teilweise besonnen Kinder handeln, deren Erziehung auf Selbständigkeit abzielt. Zeitgleich wird der familiäre Verbund gestärkt, denn Kinder honorieren diese Freiheiten durch Liebe.