Aggressive Kinder - was ist normal?

Aggressionen bei Kindern © tunedin - AdobeStock.com

Nicht immer ist es leicht, die plötzlichen Stimmungsschwankungen des eigenen Kindes vorherzusehen, dessen andauernde Wutanfälle passend in den Kontext zu ordnen und der Nachbarin erklären zu müssen, warum das Kind schon wieder gebissen und getreten hat. Viele Eltern wünschen sich bei derartigen Ausbrüchen einen Pausenknopf oder die einsame Insel, auf welche sie eine Zeit lang verschwinden und durchatmen können.

Aggressionen treten bei Kindern meist erstmalig im Alter von anderthalb bis zwei Jahren auf. In diesem Zeitraum beginnt sich das Sozialverhalten deines Kindes zu entwickeln. Er lernt, dass er ein fühlendes Wesen ist und ordnet sich in verschiedenen sozialen Situationen ein: Kinder erfahren vor allem im Spiel mit anderen Kinder, ihre Bedürfnisse zu zeigen und erlernen den Umstand, dass es im Leben wichtig ist, die eigenen Wünsche mit den Bedürfnissen anderer Menschen abzustimmen.

In dieser Phase werden auftretenden Konflikten und Frustrationsmomenten aggressives Verhalten entgegen gebracht. Dies ist die erste Reaktionsweise, in der sich das Kleinkind zu verhalten weiss, bis es andere Verhaltenswege erlernt hat. Daher ist ein anfängliches grenzüberschreitendes Verhalten v.a. auf körperlicher Ebene meist als normal einzuordnen: Im Hauen, Beissen, Kratzen oder Randalieren (z.B. den Teller vom Tisch werfen) offenbart dein Kind dir seine tiefen Gefühle, da es anders mit ihnen noch nicht umgehen kann.

Warum ist Aggression wichtig?

Innerhalb der Kindererziehung setzen sich viele Eltern zum Ziel, aggressives Verhalten von Kindern möglichst zu vermeiden und als "negativ" konnotierte Gefühle wie Wut und Frustration sofort im Keim zu ersticken. Dabei sind auch Aggressionen Teil der wichtigen Entwicklung deines Kindes und benötigen einen bestimmten Raum, in dem sich wütende Ausbrüche und gefrustete Launen ausbreiten können, damit es deinem Kind danach auch wieder besser gehen kann.

Natürlich erscheint es dir gerade bei einem so kleinen, zarten Engelswesen besonders grob, wenn es anfängt zu beissen oder um sich zu schlagen. Zu diesen Mitteln greift dein Kind aber nur, weil es sich noch nicht (genug) mit Worten ausdrücken und nicht verbalisieren kann, was es in diesem Moment möchte. Aus Mangel einer Alternative muss es also auf diese körperliche Weise seinem Ärger Platz geben und für die eigenen Bedürfnisse einstehen. Aus diesem Grund lässt mit zunehmender, verbaler Sprachkompetenz auch der Grad an Aggressivität bei Kleinkindern nach: Je besser sie sprechen und sich ausdrücken lernen, desto weniger zeigen sie sich in Konfliktsituationen körperlich aggressiv gegenüber Anderen.

Natürlich kann das Abwehrverhalten sich nach der Spracherwerbsphase auch in verbaler Aggression offenbaren: Worte wie "Arschvater" oder "blöde Kuh" zur Mama sind dabei keine Seltenheit. Oft sind das Schimpfwörter, die dein Kind im Kindergarten oder auf dem Spielplatz von anderen Kindern erlernt hat und bei dir nun gerne dessen Wirkungsweise ausprobieren möchte. Auch wenn es dich verletzt: Dein Kind weiss oftmals noch nicht, was es mit diesen Worten anstellt, da du es ihm erst noch signalisieren musst. Nimm die Worte nicht persönlich! Sieh es als Chance, drauf klar mit Grenzen zu reagieren und das soziale Lernen deines Kindes zu fördern!

Selbstverständlich muss ein respektvoller und wertschätzender Umgang zuhause von den Eltern vorgelebt werden! Ansonsten ist es kein Wunder, wenn Kinder die Verhaltensweisen kopieren.


Gründe für kindliche Aggression

Ist dein Kind älter und zeigt sich dir oder Anderen gegenüber immer noch offen mit körperlicher oder verbaler Aggression, können verschiedene Gründe oder ihr Zusammenspiel das dissoziale Verhalten begünstigen:

  1. Impulsives Gemüt: Diese Charaktereigenschaft wird zum grössten Teil vererbt. Diese Gene können mitunter einen grösseren Einfluss auf die Bereitschaft zur Aggression haben als die Kindererziehung.
  2. Frustration und Provokation sind Grundpfeiler für die grosse Wut im Bauch.
  3. Familiäre Krisen: Als Frustrationsreaktion kann sich aggressives Verhalten zeigen, wenn es in der Familie einschneidende Erlebnisse (elterliche Trennung, Tod oder schwere Krankheit eines Familienmitglieds) gibt. Dann kann dein Kind mit der traumatischen Situation überfordert sein: Dieses Gefühlschaos kann sich mitunter in Form von Aggressionen entladen.
  4. Inkonsequente Erziehung: Kinder brauchen Konsistenz und eine konsequente Bezugsperson. Um dem Kind Sicherheit zu geben, sind – neben viel elterlicher Nähe und Zuneigung – eine klare Haltung und Grenzen unabdingbar. Sie müssen sich an Regeln und Grenzen entlang hangeln können, damit sie nicht verunsichert werden. Ein Wechsel von fehlender Konsequenz und übertriebener Kontrolle macht dein Kind schnell hilflos und aggressiv!

Das richtige Eltern-Verhalten bei Aggressionen: Tipps

Das A und O bei der Kindererziehung in puncto "Aggressionen": Immer eingreifen. Egal, ob sich Kinder gerade in ihrer natürlichen Trotzphase befinden oder nicht; sie müssen stets verstehen, dass körperlich ausschreitendes Verhalten nicht in Ordnung ist. Allerdings solltest du dein Kind dabei nicht bestrafen, sondern eher gute Alternativen aufzeigen. Sei ein gutes Vorbild und reagiere auf das aggressive Verhalten ruhig und besonnen (d.h. auch: Auf keinen Fall schreien, egal wie wütend du selbst bist)!

  • Warte erst mal ab, bis sich die Lage beruhigt hat. Reagiere nicht sofort auf Provokationen, sondern suche später das Gespräch.
  • Das Kind selber kannst du nicht kontrollieren – dich selbst schon. Wenn jeder retour gibt, führt das zu einer Gewaltspirale. Wem es gelingt, sich selbst zu kontrollieren, verhindert eine Eskalation.
  • Es geht nicht um Sieg, sondern, mit einer klaren Grenze zu zeigen, dass man sich nicht alles gefallen lässt. Das geht auch, wenn man nicht auf die Provokationen eingeht und schweigt.
  • Frage beim Gespräch dein Kind, was es braucht. Versuche herauszufinden, was das Problem ist und versucht gemeinsam, eine Lösung zu finden. 
  • Findest du das aggressive Verhalten deines Kindes ist zu extrem oder dauert zu lange an, suche dir Hilfe bei einer Familienberatungsstelle.

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