Spielend die Welt entdecken

Babyentwicklung: Spielen fördert dein Baby © nenetus - AdobeStock.com

Im ersten Lebensjahr gibt es für ein Kind unglaublich viel zu entdecken und zu lernen – ein Grossteil der Entwicklung von kognitiven wie motorischen Fähigkeiten findet dabei durch Spielen statt. Ebenso wie bei zahlreichen Tierarten haben auch Menschenkinder einen inneren Drang, spielerisch tätig zu sein, um sich nach und nach immer neue Fähigkeiten anzueignen, sie zu verbessern und zu üben, deshalb bedeutet Spielen immer auch Lernen.

Dieses Verhalten ist uns in die Wiege gelegt, und doch müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein, bevor ein Kind sich die Welt spielend Stück für Stück zu eigen macht. Sobald ein Kind krank ist oder sich körperlich unwohl fühlt, verliert es das Interesse am Spiel – gesund werden steht nun an oberster Stelle. Denselben Einfluss hat auch das emotionale Wohlbefinden eines Kindes: Ein Kind, das sich angenommen und geborgen fühlt, dessen Bedürfnisse befriedigt sind und das feinfühlige und authentische Bezugspersonen erleben darf, kann sich mit ganzer Aufmerksamkeit seinem Spiel widmen.

Babys Entwicklung: Die ersten Wochen

Direkt nach der Geburt unterscheidet ein Baby noch nicht zwischen der Aussenwelt und seinem eigenen Körper. Zwischen «ich» und «meine Mutter» oder «mein Vater». Auch wenn das schwer vorstellbar ist: Alle Empfindungen, welche ein Kind in dieser Zeit hat, hat quasi die ganze Welt. Die ganze Welt hat Hunger, fühlt sich wohl, schwitzt, friert, usw.

Der Säugling wird jetzt noch von vielen verschiedenen Reflexen gelenkt. Einige davon, wie zum Beispiel das Atmen oder Blinzeln, werden ihm ein Leben lang erhalten bleiben, viele jedoch verlieren sich im Laufe der Zeit und machen bewussten, gesteuerten Handlungen Platz. In dieser Zeit sind dem Spiel noch Grenzen gesetzt, zu sehr ist der kleine Mensch damit beschäftigt, seine Sinneseindrücke einzuordnen und zu kategorisieren, es ist die Zeit des Ankommens in der Welt.

Babyentwicklung: 3.–6. Monat

Bereits mit etwa acht Wochen beginnen Säuglinge damit, mit ihren eigenen Händen zu spielen. Sie begutachten sie von allen Seiten und versuchen, Dinge zu greifen. Auch das Erzeugen von bestimmten Lauten ist ein Spiel in diesem Alter, wobei das Baby dafür immer wieder auch ein Gegenüber zum «Mitspielen» braucht. Es braucht jemanden, der zuhört und anschliessend die Laute des Säuglings imitiert und ihm so eine Resonanz bietet, dadurch entsteht eine Art Gespräch. Glücklicherweise reagieren die allermeisten Erwachsenen intuitiv richtig auf diese Spielaufforderung.

Gut zu wissen: Sobald das Baby den Blick abwendet, den Kopf oder gar den Körper wegdreht, braucht es dringend eine Pause – diese Ruhepausen sind ebenso wichtig wie das Spiel selbst. Es ist entscheidend für die emotionale Entwicklung des Kindes, dass in diesem Moment seine Grenzen geachtet werden und es die gesammelten Eindrücke in Ruhe verarbeiten kann.

Mit zwölf Wochen werden neue Spiele interessant: Eines davon, das man bei fast allen Babys beobachtet, ist das «Füsse-in-den-Mund-nehmen». Dabei lernt das Baby immer mehr über seinen eigenen Körper. Überhaupt werden immer mehr Gegenstände in den Mund (das wichtigste Sinnesorgan in diesem Alter um Formen und Materialien zu erforschen) gesteckt, um sie genauer zu untersuchen. Der Tastsinn, ist der erste Sinn, der sich bereits im Mutterleib entwickelt. Das sogenannte «Mundeln» ist ein absolut sinnvolles Verhalten. Eltern können sich also getrost entspannen und den neugierigen Erdenbürgern mit Freude bei diesen «Experimenten» zuschauen. Zunächst greifen Säuglinge mit beiden Händen und den ganzen Handflächen, das Greifen mit den Fingern wird erst in mehreren Monaten folgen. 

Um die zwanzigste Woche herum eröffnen sich ganz neue Spielformen: In diesem Alter lieben die allermeisten Babys Mitmachreime, Kitzel- und Streichelspiele.

Gut zu wissen: Kniereiterspiele und Mitmachreime sind keineswegs altmodisch, nein, sie haben sogar eine wichtige Bedeutung. Neben der Tatsache, dass sie die Bindung zwischen Eltern (oder anderen Bezugspersonen) und Baby wunderbar stärken, legen sie wichtige Grundsteine für die Sprachentwicklung. 

Kinder auf der ganzen Welt lieben das «Gugus-Dada»-Spiel. Wer kennt es nicht? Eine Person verdeckt das Gesicht mit den Fingern und zeigt sich dann plötzlich wieder oder schaut durch die Finger hindurch. Einige Babys finden bereits am Ende dieser Phase Gefallen daran. Den Grund für die Begeisterung liegt im kindlichen Gehirn: Das Gesicht ist für das Kind nicht nur verdeckt, sondern tatsächlich weg, es erahnt zwar aus Erfahrung bald, dass es gleich wieder auftaucht, erklären kann es sich das aber noch nicht. Diese Fähigkeit entwickelt sich erst in den folgenden Monaten, und erst dann wird die Initiative für dieses Spiel vom Kind ausgehen.

Zwischen dem 3. und 6. Monat beginnen viele Kinder plötzlich zu «fremdeln», manche sogar so stark, dass sie sich vor dem eigenen Papa fürchten. Das kann den Kreis der Personen, mit denen das Kind gerne spielen möchte drastisch einschränken. Auch wenn das manchmal sehr anstrengend sein kann, verzagen sie nicht, es verliert sich im Laufe der Entwicklung früher oder später wieder. Wie stark ein Kind fremdelt gibt übrigens keinen Aufschluss darüber, ob es später eher ein scheuer, offener, verschlossenen oder kontaktfreudiger Mensch sein wird.


Babyentwicklung: 6.−9. Monat

Der Radius des Babys erweitert sich in diesem Alter beträchtlich, viele Kinder (nicht alle) lernen zu krabbeln und haben somit endlich die Möglichkeit, sich selbstbestimmt fortzubewegen. Spätestens jetzt wird die Wohnung zum Spielplatz des Kindes. Es erobert das Terrain unaufhaltsam: alle Gegenstände, die für das Kind gefährlich sind, müssen nun immer ausserhalb dessen Reichweite aufbewahrt werden. Dazu gehören verschluckbare Teile (siehe auch sicheres Spielzeug) ebenso wie Putzmittel und Chemikalien. In den allermeisten Küchen werden Spülmitteltabs und Reiniger in der Schublade unter dem Spülbecken aufbewahrt, dieser Platz ist ab sofort tabu. Natürlich müssen nun auch Treppen und Fenster gesichert werden. Wohnung fürs Baby sichern - so geht's!

Sobald sie selbst mobil werden, können Kinder allerdings auch verstehen, dass Bezugspersonen sich von ihnen entfernen können. Sehen konnten sie das zwar schon zuvor, aber die Bedeutung wird ihnen erst in diesem Lebensabschnitt bewusst. Diese Erkenntnis lässt manche Kinder sehr anhänglich werden und schränkt ihre Spieltätigkeit vorübergehend ein, besonders was das Spiel mit sich allein betrifft. Das Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz in dieser Zeit zu finden, erfordert von den Eltern einiges an Geduld und Mitgefühl.

Mit Hingabe beschäftigen sich Kinder in dieser Phase damit, Schränke, Regale und Kisten aus- und einzuräumen. Womöglich konzentriert sich sogar die ganze Spieltätigkeit für Wochen darauf, die Bedeutung von «in», «auf» und «unter» zu begreifen. Unglaubliche Leistungen, welche die Kleinen da vollbringen. Sehr geeignet für diese Tätigkeiten sind Regalböden und Schubladen, die leicht wieder einzuräumen sind.

Was ganz besonders faszinierend und nicht minder lehrreich ist: Dinge umwerfen, Türme einstürzen lassen oder Spielsachen wegwerfen. Dabei erspielt sich ein Kind eines der wichtigsten physikalischen Grundgesetze, nämlich das der Schwerkraft. Wer das erkannt hat, drückt vielleicht beim nächsten Mal noch ein Auge mehr zu.

Im gemeinsamen Spiel nehmen Kinder jetzt einen aktiveren Part ein. Am meisten profitieren sie nun von den Erwachsenen, die sich von ihnen durch das gemeinsame Spiel leiten lassen, anstatt ihnen zu zeigen, wie etwas geht oder wie etwas gespielt wird. Häufig entdecken Eltern dabei, dass ihr Kind manche Spielsachen ganz anders nutzt, als sie es sich vorgestellt haben. Kinder sind nicht am Endprodukt ihres Spiels interessiert, der Sinn liegt für sie in der Handlung selbst.

Gut zu wissen: Schon im frühen Alter widerspiegelt sich im unterschiedlichen Spielverhalten von Kindern ihr Temperament. Während manche Babys richtige «Macher» sind, beobachten andere viel länger und genauer, bevor sie etwas Neues wagen. Manche nehmen unzählige Fehlschläge beim Erlernen neuer Fertigkeiten in Kauf, andere scheinen das Scheitern eher zu vermeiden. Häufig werden sehr aktive Kinder, die alles versuchen bis es klappt, als besonders weit für ihr Alter angesehen – diese Herangehensweise findet in unserem Kulturkreis am meisten Zuspruch. Doch am Ende beherrschen «die Draufgänger» neue Fähigkeiten im Durchschnitt auch nicht schneller als jene Babys, die eher abwarten und beobachten, bevor sie die ersten Versuche wagen.

Tipp: Babyspielzeug aus Alltagssachen

Babyentwicklung: 9.–12. Monat

Babyspielzeug wie Rasseln und Greiflinge sind jetzt endgültig passé. In diesem Abschnitt des ersten Lebensjahres erforschen Kinder den Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Ein Teil dieses Forschungsprojektes ist das Spiel, das in den meisten Familien irgendwann für Unstimmigkeiten sorgt: «Gegenstände auf den Boden fallen lassen». Dieses Spiel beginnt meist damit, dass Kinder Dinge, die vor ihnen auf dem Tisch liegen so weit zur Kante schieben, bis sie schliesslich auf den Boden plumpsen.

Wie ein Objekt klingt, wenn es auf den Boden fällt, ob es zerspringt oder ganz bleibt und nicht zuletzt wie es wieder zum Kind zurückkommt, das alles sind wichtige Bestandteile dieses lehrreichen Spiels. Häufig fühlen sich Eltern provoziert, wenn sie denselben Gegenstand unzählige Male aufgehoben und zurückgegeben haben. Wie bei jedem gemeinsamen Spiel ist es vollkommen in Ordnung nicht mehr mitspielen zu wollen, doch Eltern können beruhigt sein: Kinder testen dabei keineswegs ihre Grenzen aus und überprüfen auch nicht, ob sie Mama oder Papa auf der Nase herumtanzen können. Nein, sie treiben einzig die Neugier und den Forschergeist an, deshalb können sie auch die Kritik an ihrem Tun nicht einordnen.

Für die Erforschung ihrer Umwelt stehen dem Kind in diesem Alter ganz neue Fähigkeiten zur Verfügung: Es kann Gegenstände mit Daumen und Zeigefinger, im sogenannten Pinzettengriff fassen und so viel besser untersuchen. Ausserdem beginnt es langsam zu verstehen, dass ein Gegenstand, der mit einem Tuch verdeckt wird oder ein Ball, der unters Sofa rollt, dort weiterhin existiert. Es wird versuchen den Ball wieder hervorzuholen oder das Tuch beiseite zu ziehen. Dadurch entsteht ein immer grösser werdendes Interesse an Versteckspielen aller Art. Am Anfang können sich die Eltern verstecken oder fangen lassen, nach und nach beginnt auch das Kind sich selbst zu verstecken.

Gut zu wissen: Für Kinder ist es eine wichtige Erfahrung, die Eltern wiederzufinden, wenn diese den Raum verlassen haben. Es stärkt ihr Vertrauen in ihre eigene Fähigkeit, die Welt wieder «in Ordnung zu bringen».

Was ist ein (gutes) Spielzeug?

 


Fachautorin: Marion Sontheim / Familienbegleiterin und Autorin Fachzeitschrift spielgruppe.ch / IG Spielgruppen Schweiz / www.spielgruppe.ch

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