Gender in der frühen Kindheit

Gender in der frühen Kindheit © ulkas - AdobeStock.com

Das Geschlecht eines Menschen wird nicht nur rein biologisch festgelegt. Die Unterscheidung zwischen männlich und weiblich gehört zu den Dingen, die Kinder schon von Geburt an und sogar bereits davor erlernen. Um ihre geschlechtliche Identität zu finden, orientieren sich Kinder nicht nur an den Eltern, sondern auch an ihrer Umgebung. Betreuende Personen, Konsum und Medien formen das Bild von Mann und Frau und das geschieht nicht immer im Sinne einer individuellen Charakterentwicklung.

Im Zuge des Feminismus geraten laut neueren Studien besonders Jungen ins Hintertreffen. Niemand stört sich mehr an knabenhaften Mädchen, die Hosen tragen und Fussball spielen. Greift ein Junge aber zum Puppengeschirr oder schlüpft in Mamas Stiefelletten, reagieren viele Erwachsene unbewusst mit Ablehnung. Wie du dein Kind genderkompetent erziehen kannst und warum der feine Unterschied trotz angewandter Genderpädagogik in die Erziehung einfliessen sollte, erfährst du in diesem Artikel.

Mädchen oder Junge - was das Geschlecht mit den Anlagen macht

Die Wissenschaft beschäftigt sich schon lange mit den geschlechterspezifischen Persönlichkeitsmerkmalen. Sind sie genetisch veranlagt oder anerzogen? Warum sind Mädchen eher sprachbegabt und Jungen glänzen tendenziell öfter mit räumlichem Vorstellungsvermögen? Sind tatsächlich Hormone und Chromosomen dafür verantwortlich?

In der Genderpädagogik geht man davon aus, dass Fähigkeiten wie das räumliche Denken in der frühen Kindheit und über die Möglichkeiten zur freien Entfaltung erworben werden. Jungen, die viel mit Bauklötzen hantieren, haben eben ein besseres Gefühl für Flächen und Formen. Mädchen versorgen und betreuen ihre Puppen und erwerben damit besonders kognitive Fähigkeiten. Zunächst sind diese Annahmen nur Vermutungen. Es gibt kaum empirische Studien, die solche These untermauern. Ein Blick auf andere Kulturen und die geschichtliche Entwicklung der Menschheit gibt aber Anlass dazu, mehr als nur ein Körnchen Wahrheit in der Auffassung zu sehen.

Falsch machen können Eltern jedenfalls kaum etwas, wenn sie ihren Kindern den grösstmöglichen Raum zur Identitätsfindung geben. Und der genderpädagogische Ansatz meint auch nicht, Jungen und Mädchen einfach gleichzusetzen. Im Gegenteil, die biologischen Unterschiede sollten vielmehr grössere Beachtung finden. So zum Beispiel die Tatsache, dass Jungen einer späteren Reifung und weniger ausgeprägten Impulskontrolle unterliegen. Statt den Halbwüchsigen in diesen "Defiziten" zu bestärken und zum richtigen Mann zu erziehen, will die Genderpädagogik Kinder aus vorgestanzten Rollen holen und ihnen damit mehr Freiraum für die Ausprägung bestimmter und bisher geschlechtsspezifischer Fertigkeiten und Talente bieten.


Genderkompetent erziehen, was heisst das in der Umsetzung?

Das Baby ist auf dem Weg. Es hat schon einen Namen, Familie und Freunde freuen sich mit den Eltern auf ein kleines Mädchen und das Zimmer quillt über an rosaroten Deko- und Gebrauchsartikeln. Wer in ein solches Nest geboren und auf dem Weg zum Erwachsenen latent mit den Attributen niedlich, weiblich und brav überzogen wird, avanciert wohl eher zur mode- und kosmetikbewussten Diva als zur erfolgreichen Fussballspielerin. Ebenso wird der kleine Junge, dem, anders als seiner Schwester, nie das richtige Haushalten anerzogen wurde, später Probleme mit seiner aufgeklärten Freundin bekommen.

Kinder sollten zuallererst einmal Kinder sein dürfen!

Eine Einteilung nach rosa oder hellblau korrumpiert sie in ihrer natürlichen Entwicklung. Auf der anderen Seite brauchen die unfertigen Erwachsenen aber auch verschiedene und auch klassische Rollenvorbilder, um Orientierung zu finden.

Wenn du dein Kind genderkompetent erziehen möchtest, musst du seine Talente und Neigungen, nicht seine geschlechtsspezifischen Anlagen sehen und fördern. Unterstütze es in allem, was ihm gut tut und leicht von der Hand geht. Sollte das eben bedeuten, dass dein fünfjähriger Sohn die Haare seiner Schwester und ihrer Puppen frisiert, dann gib ihm unvoreingenommen die Möglichkeit, sich als potenzieller Starfriseur zu versuchen.

Kinder imitieren männliche und weibliche Bezugspersonen gleichermassen. Die Zeit des Kindseins ist eine Zeit des Ausprobierens und wer eine grosse Vielfalt für sich entdecken darf, findet später leichter zu sich selbst und den eigenen Idealen.

Zarte Jungs und rauflustige Mädchen - muss das nicht nach hinten losgehen?

Wir leben in aufgeklärten Zeiten. Kinder wachsen immer öfter in den verschiedensten Familienformen auf und zwei Väter zu haben, zählt heute nicht mehr zu den Kuriositäten. Aber was macht das eigentlich mit unseren Kindern? Sind klassische Rollenbilder nicht wichtig für deren Entwicklung? An alle Zweifler: Wirklich wichtig für ein Kind und seine Entwicklung ist es, zu lernen, sich selbst annehmen und irgendwann auf eigenen Beinen stehen zu können! Klassische und oft stereotype Verhaltensmuster engen Kinder unnötig ein und pressen sie in Formen, die sie aufgrund ihrer individuellen Ausgangslage vielleicht gar nicht ausfüllen können. Ergebnis daraus sind unzufriedene Erwachsene, die unerfüllbaren Normen nacheifern oder ihre Talente als persönliches Scheitern ansehen.

Selbst wir Erwachsenen werden erdrückt von der Flut an Bildern, Eindrücken und Konsumartikeln, die uns als klassisch weiblich oder typisch männlich verkauft werden. Diese Umgebung wirkt ebenso unterschwellig auf dich wie auf dein Kind und du wirst kaum dagegen rudern können. Was du jedoch tun kannst, um deinem Zwerg alle Möglichkeiten der Welt für sich zu eröffnen, ist, ihn so anzunehmen, wie er ist und in jeder seiner Entwicklungen zum selbstbestimmten Erwachsenen zu bestärken.

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